Kompetenzüberschreitender Kulturkämpfer im Kanzleramt: Weimers Griff nach Sprache und Verfassung
- Richard Krauss
- 4. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Seit Wolfram Weimer das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Jahr 2025 angetreten hat, weht ein scharfer Wind durch die Berliner Kulturpolitik.
Der parteilose Publizist, einst bekannt für seine kritischen Töne gegenüber öffentlich-rechtlichen Medien und sein "konservatives Manifest" , inszeniert sich nicht als stiller Verwalter eines auf Rekordniveau gewachsenen Etats, sondern als Akteur im Kulturkampf.
Seine jüngsten Vorstöße, insbesondere zur Gendersprache und zur Richterwahl, werfen die Frage auf, ob Weimer die Grenzen seines Amtes nicht nur auslotet, sondern bewusst überschreitet.

Der "Sprachkampf" im Dienstzimmer
Weimers erste markante Amtshandlung war ein Dekret: In den Dienstschreiben seiner rund 470 Mitarbeiter in Berlin und Bonn sind Gendersternchen, Binnen-I und andere geschlechtergerechte Formen ab sofort untersagt. Die Begründung des Kulturstaatsministers? Man folge den Vorgaben des Rates für deutsche Rechtschreibung und wolle die "Schönheit der deutschen Sprache" bewahren.
Hier offenbart sich die erste Ambivalenz. Das Amt des BKM ist, dem Grundsatz der Kulturhoheit der Länder folgend, kein Bundeskulturministerium. Seine Aufgabe ist es, spezifische Bundeskompetenzen zu fördern – Film, Erinnerungskultur, internationale Beziehungen – und als Koordinator zu wirken, nicht aber, die kulturelle Landschaft oder gar die Sprachnormen des Landes zu "gestalten".
Weimers Anweisung mag formal auf seine eigene Behörde beschränkt sein , doch die symbolische Wucht, die von einem "Kulturstaatsminister" ausgeht, ist immens. Er positioniert sich als Hüter einer vermeintlichen sprachlichen Reinheit und mischt sich damit in einen gesellschaftlichen Diskurs ein, der weit über die Büros des Kanzleramts hinausreicht. Ist dies noch Koordination oder bereits eine präskriptive Kulturpolitik, die dem Geist des föderalen Kulturstaates widerspricht?
Die "Schönheit der Sprache" ist eine ästhetische Wertung, keine objektive Rechtsgrundlage für ein Verbot, das zudem den eigenen Zielen des BKM, "Teilhabe und Diversität" zu fördern, entgegenlaufen könnte.
Der Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit
Noch gravierender ist Weimers Vorstoß zur Richterwahl am Bundesverfassungsgericht. Nach der gescheiterten Ernennung von Frauke Brosius-Gersdorf im Juli 2025 forderte Weimer, Verfassungsrichter künftig mit einfacher Mehrheit im Bundestag zu wählen. Seine Begründung: "zu viele Extremisten" im Parlament, die den "Parteien der demokratischen Mitte" die notwendige Zweidrittelmehrheit verwehren.
Diese Analyse ist nicht nur scharf, sondern auch schief. Die gescheiterte Wahl von Brosius-Gersdorf war, wie Kritiker wie Dr. Felix W. Zimmermann umgehend aufzeigten, primär eine Folge mangelnder Geschlossenheit innerhalb der Regierungsfraktion, nicht einer Blockade durch die politischen Ränder. Weimers pauschale Verurteilung von "Extremisten" – mutmaßlich auf AfD und Linke zielend – dient hier als rhetorisches Vehikel, um einen fundamentalen Pfeiler der Gewaltenteilung zu attackieren.
Die Zweidrittelmehrheit für die Wahl von Verfassungsrichtern, auch wenn sie "nur" im Bundesverfassungsgerichtsgesetz und nicht direkt im Grundgesetz verankert ist , ist ein Garant für die überparteiliche Legitimation und Unabhängigkeit des Gerichts.
Sie zwingt die politischen Lager zum Konsens und verhindert, dass eine einfache Mehrheit Richter nach parteipolitischem Gusto ernennt. Weimers Vorschlag würde das Bundesverfassungsgericht unweigerlich politisieren und das Vertrauen in seine Neutralität untergraben. Dies ist kein kulturpolitischer Akt, sondern ein direkter Eingriff in die verfassungsrechtliche Architektur Deutschlands.
Ein Kulturkämpfer im falschen Amt? Wolfram Weimer mag sich als "Kulturverfechter, nicht Kulturkämpfer" bezeichnen. Doch seine ersten Monate im Amt zeichnen ein anderes Bild.
Er nutzt die Bühne des Kulturstaatsministers, um eine konservative Agenda voranzutreiben, die weit über die traditionellen Aufgaben der Kulturförderung hinausgeht. Ob es um die "Schönheit der Sprache" oder die "Sicherung" der Richterwahl geht:
Weimer scheint entschlossen, kulturelle und institutionelle Normen im Sinne seiner politischen Überzeugungen zu formen. Die Frage ist, ob ein Beauftragter, dessen Rolle im föderalen System primär koordinierend und fördernd ist, diese Art von "Gestaltung" überhaupt leisten darf – oder ob er damit nicht die Grenzen seines Amtes und die Prinzipien der deutschen Demokratie herausfordert. Die Debatte ist eröffnet.
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