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Die Partitur des antisemitischen Hasses - "Der Jude" als Störgeräusch - die Verbannung von Lahav Shani aus Gent

  • Autorenbild: Richard Krauss
    Richard Krauss
  • 12. Sept.
  • 3 Min. Lesezeit

aktualisiert am 12.09.2025 / 08:46


BELGIEN / GENT: Flanders Festival Gent hat nicht nur Lahav Shani ausgeladen, sondern die Münchner Philharmoniker gleich mit. Offiziell heißt es, Shani habe sich nicht hinreichend von der israelischen Regierung distanziert. Doch diese Begründung ist eine billige antisemitische Fassade.


In Wahrheit geht es nicht um Politik, nicht um Musik, sondern um Herkunft. Ein Jude, der zugleich das Israel Philharmonic Orchestra leitet, gilt als Störfaktor. Das ist Antisemitismus.


Dirigent Lahav Shani
Dirigent Lahav Shani

Die Sprache des Festivals spricht von „Respekt“ und „Sicherheit“, von der Bewahrung einer „Ruhe“, die angeblich gefährdet sei. Aber was stört hier wirklich?


Nicht die Musik. Störend ist für die Verantwortlichen allein die Tatsache, dass ein jüdischer Musiker sichtbar wird.


Dass Shani sich seit Jahren für Verständigung und Humanismus einsetzt, dass er Brücken baut zwischen Kulturen, zählt nicht. Entscheidend ist, dass er Israeli ist. Damit wird Herkunft zum Ausschlusskriterium – ein Muster, das Europa aus seiner Geschichte nur zu gut kennt.


Die deutsche Botschaft in Belgien beendete die Partnerschaft mit dem Festival. Botschafter Martin Kotthaus erklärte, die Entscheidung sei „nicht nachvollziehbar“.


Bayerns Kunstminister Markus Blume sprach von „schrecklichen antisemitischen Misstönen“.


Kulturstaatsminister Carsten Brosda nannte die Ausladung eine „Schande für Europa“. Die kulturpolitische Sprecherin der Union, Ottilie Klein, forderte die sofortige Rücknahme der Entscheidung.


Selbst der PEN Berlin, nicht gerade für kulturpolitische Polemik bekannt, kritisierte die Logik, einen Künstler nur dann auftreten zu lassen, wenn er zuvor ein politisches Bekenntnis abgelegt hat. Alle diese Stimmen zeigen: Es geht hier nicht um eine Nuance, sondern um einen Tabubruch.


Premierminister Bart De Wever sprach von einer „reckless and irresponsible“ Entscheidung, die das Ansehen des Landes beschädige.


Außenminister Maxime Prévot nannte die Absage „überzogen“ und warnte davor, jüdische Identität mit israelischer Politik gleichzusetzen.


Der liberale Parteichef Georges-Louis Bouchez ging noch weiter: Er nannte die Entscheidung eine „Schande“ und antisemitisch.


Die Dimension der Ausladung reicht weit über Gent hinaus. Denn die Logik, die hier zur Anwendung kommt, ist brandgefährlich: Ein israelischer Dirigent muss sich lossagen, sonst ist er unerwünscht.


Das Muster ist alt. Schon einmal wurden jüdische Künstler systematisch von europäischen Bühnen ausgeschlossen. Damals hieß es „unerwünscht“, heute heißt es „fehlende Distanzierung“.


Der Ton ist ein anderer, die Logik bleibt dieselbe:


Jüdische Identität wird zur Schuld.

Die Münchner Philharmoniker haben recht: Israelische Künstler kollektiv zu bestrafen, widerspricht allen europäischen Werten.


Und es ist mehr als das: Es ist ein Angriff auf die Freiheit der Kunst. Denn was hier geschieht, ist nichts weniger als die Wiederkehr des kulturellen Boykotts – diesmal nicht mit Verbotsschildern, sondern mit moralischen Ultimaten.


Man darf sich keinen Illusionen hingeben: Wenn Gent damit durchkommt, wird es nicht beim Einzelfall bleiben.


Andere Festivals, andere Bühnen werden folgen. Jüdische Musikerinnen und Musiker würden systematisch unter Generalverdacht gestellt, ihre Auftritte an politische Loyalitätserklärungen geknüpft. Damit wäre die künstlerische Freiheit in Europa faktisch beendet.


Europa steht hier vor einer Entscheidung. Entweder es hält an seinen eigenen Grundsätzen fest – an Offenheit, an Gleichheit, an der Freiheit der Kunst. Oder es akzeptiert, dass Antisemitismus erneut mitten in seinen Konzertsälen Platz nimmt.


Lahav Shani steht für Humanismus und Verständigung. Dass er ausgerechnet deshalb ausgeladen wird, ist die bittere, bösartige und antisemitische Pointe.


Die Wahrheit ist schlicht: Nicht Shani, nicht die Münchner Philharmoniker haben sich zu rechtfertigen.


Es ist das Flanders Festival Gent, das erklären muss, warum es glaubt, im Namen der Moral handeln zu dürfen, während es in Wahrheit Antisemitismus neu legitimiert.


Hierzu das Interview mit Igor Levit in den Tagesthemen vom 11.09.2025 ab Minute 7:10 :



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