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Feinde der freiheitlich demokratischen Grundordnung – Wie die Identitäre Bewegung das Grundgesetz zersetzt

  • Autorenbild: Richard Krauss
    Richard Krauss
  • 12. Aug.
  • 5 Min. Lesezeit

Die Identitäre Bewegung (IB) stellt eine Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung (FDGO) der Bundesrepublik Deutschland dar.


Ihre Strategien sind vielschichtig, ihre Botschaften verdeckt, ihr Ziel ist die Untergrabung der Verfassung.

Die deutsche Sektion, die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD), trat 2012 auf Facebook in Erscheinung. 2014 erfolgte die Registrierung als eingetragener Verein.  


Logo der rechtsextremistischen Identitären
Logo der rechtsextremistischen Identitären

Ihre Kernmitgliedschaft umfasst 500 bis 700 Personen.  Zehntausende unterstützen die Bewegung finanziell.  Diese Zahlen zeigen eine Reichweite, die über die Kernmitgliedschaft hinausgeht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet die IBD seit August 2016 als Verdachtsfall.  


Im Juli 2019 stufte das BfV die IB als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein.  Diese Einstufung erlaubt nachrichtendienstliche Überwachung. Gerichtsentscheidungen, darunter Urteile des Verwaltungsgerichts Köln, bestätigen die Beobachtung.   


Der ideologische Kern der IB ist der Ethnopluralismus. Dieses Konzept geht von einer biologisch begründeten Einheitlichkeit einer Volks- und Abstammungsgemeinschaft aus. Es strebt die kulturelle Reinhaltung der Gesellschaft von äußeren Einflüssen an.


Der Begriff Rasse wird vermieden. Die Ideologie der IB wird in der Rassismusforschung als Rassismus ohne Rassen bezeichnet. Roland Sieber weist auf den Bezug zur nationalsozialistischen Parole „Du bist nichts, dein Volk ist alles“ hin. Die IB lehnt gesellschaftlichen Wandel, Integration und kulturelle Anpassung ab. Sie schreibt Gruppen unveränderliche Charakterzüge zu, die durch die Geburt festgelegt seien.


Diese Vorstellungen sind mit dem Grundgesetz unvereinbar. Das Verwaltungsgericht Köln stellte fest, dass die Vorstellung der IB, das deutsche Volk in seinem ethnischen Bestand zu erhalten und ethnisch Fremde auszuschließen, mit dem Volksbegriff des Grundgesetzes unvereinbar ist. Der Volksbegriff des Grundgesetzes knüpft an die Staatsangehörigkeit an.


Die ausländerfeindliche Agitation der IB stellt eine Missachtung der im Grundgesetz verankerten Menschenrechte dar. Dies betrifft die Menschenwürde (Art. 1 GG) und das Diskriminierungsverbot (Art. 3 GG). Die IB lehnt die Idee universeller Menschenrechte ab.

Ein zentrales Narrativ der IB ist die Verschwörungstheorie des Großen Austauschs.


Diese postuliert eine Ersetzung der europäischen Völker durch multiethnische Bevölkerungen.  Der Begriff Remigration ist ein zentraler Slogan. Das Verwaltungsgericht Köln stuft ihn als fremden- und islamfeindlich ein. Das Konzept impliziert ein Ausweisungsprojekt von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.  Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen bezeichnet Remigration als sprachliche Modernisierung der Parole „Ausländer raus!“.    


Die IB verfolgt eine metapolitische Strategie. Sie will die öffentliche Meinung und Debatte durch Aktionen beeinflussen. Ziel ist eine Kulturrevolution von rechts. Sie strebt eine Verschiebung des öffentlichen Diskurses an, insbesondere gegen Muslime und kultur fremde Individuen.


Sie verwendet neue Konzepte und Terminologien, um negative Assoziationen mit rechtsextremistischen Ideen zu überwinden. Dies soll gesellschaftliche Akzeptanz erreichen und das Sagbare erweitern.


Ihre Aktionen werden als Spaß-Events inszeniert. Sie nutzen Spaßguerilla-Taktiken und einen rebellisch anmutenden Aktionismus.  Beispiele sind Proteste gegen Asylbewerberunterkünfte in Einsiedel und Dresden. Banneraktionen mit Pyrotechnik in Görlitz und Dresden sind weitere Beispiele. Flashmobs wie „Multikulti wegbassen“ in Frankfurt gehören dazu.  


Soziale Medien werden aktiv genutzt, um Aktionen zu dokumentieren und zu verstärken. Die Bewegung will bekannter als Coca Cola werden.  Kampagnen wie der Stolzmonat fördern Nationalismus und karikieren LGBTQ+-Initiativen.    


Ein Fokus liegt auf der Rekrutierung junger Menschen, darunter Schüler und Studenten. Ihr Auftritt und ihre Online-Präsenz sollen Jugendliche anziehen.  


Die IB engagiert sich in Subkulturen. Dazu gehören das Kampfsportmilieu (MMA, Kampf der Nibelungen) , Musik (rechtsextremer Rap)  und die Erlebniskultur wie Sommerlager und Bergsteigen.  Diese Aktivitäten fördern ein Männlichkeitsbild und ein Gemeinschaftsgefühl.    


Die ursprünglich hierarchische Struktur der IB wurde zugunsten autonomer Orts- und Regionalgruppen aufgelöst.


In Bayern treten Reconquista21 und Lederhosen Revolte in Erscheinung. In Sachsen agiert die IB seit August 2023 unter dem Namen Sachsengarde.


Martin Sellner, ein Österreicher, ist die Führungspersönlichkeit der IB im deutschsprachigen Raum. Er ist das Sprachrohr der Organisation. Sellner radikalisierte sich im Umfeld des Holocaust-Leugners Gottfried Küssel.  


Er stellte seine Remigrationspläne auf einem Treffen der Neuen Rechten in Potsdam im November 2023 vor.  Weitere Personen in Deutschland sind Philip Thaler, Andreas Lichert, Martin Lichtmesz, Felix Menzel und Mario Müller.   


Die IBD ist europaweit mit anderen fremdenfeindlichen Organisationen vernetzt. Zur AfD bestehen Beziehungen. AfD-Mitglieder pflegten Kontakte zu IBD-Aktivisten und bekundeten Sympathien.  Die IBD wird von Vertretern der AfD und ihrer Jugendorganisation, der Jungen Alternative (JA), als Vorfeld bezeichnet.  


Die IBD ist Teil des Spektrums der Neuen Rechten. Dazu gehören Einrichtungen wie das Institut für Staatspolitik (IfS) und die COMPACT-Magazin GmbH.   


Die Finanzierung der IB ist diversifiziert und stammt aus Mitgliedsbeiträgen, Merchandising, Crowdfunding und Spenden. Zehntausende unterstützen die Bewegung finanziell. Mitgliedsbeiträge sind gestaffelt.  


Martin Sellner erhielt Anfang 2018 über 20.000 Euro von etwa 250 Personen.  Die Plattform Ein Prozent leitete 2017 250.000 Euro in rechte Projekte. Sie beansprucht über 40.000 Unterstützer.    


Die IB nutzt Tarnvereine zur Finanzierung von Immobilien. Ein Beispiel ist der Erwerb eines Hauses in Halle für 330.000 Euro durch die Titurel-Stiftung.  Diese Immobilie dient als Deutschlandzentrale der IB. Sie beherbergt ein Büro für Ein Prozent und bietet Schulungen des Instituts für Staatspolitik an.  


Das Haus in Halle wird als Beton gewordener Beweis der Geldströme unter den Neuen Rechten beschrieben.  Der frühere Berliner CDU-Finanzsenator Peter Kurth überwies 2019 mindestens 120.000 Euro an die Schanze Eins UG & Co. KG.


Diese Firma wird der IB zugerechnet. Das Geld war für den Erwerb eines patriotischen Hausprojekts im österreichischen Linz bestimmt.  Diese Immobilien dienen als Anlaufstellen und Treffpunkte für Rechtsextreme. Sie beherbergen regelmäßige Veranstaltungen.  


Das Zentrum Chemnitz, ein identitäres Jugendzentrum, wurde im November eröffnet. Es bietet einen geschützten Raum für Veranstaltungen und die Vorbereitung politischer Aktionen.   


Die Identitäre Bewegung ist eine facettenreiche und sich anpassende Bedrohung für die deutsche Demokratie. Ihre Gefahr liegt in ihrer verfassungsfeindlichen Ideologie des Ethnopluralismus und der Remigration.


Sie nutzt metapolitische Strategien, digitale Verstärkung ihrer Botschaften, Vernetzung mit anderen rechtsextremen Akteuren und den Aufbau einer finanziellen und physischen Infrastruktur. Die Einstufung durch den Verfassungsschutz und die gerichtlichen Bestätigungen untermauern die Grundlage dieser Bedrohung.


Die Anpassung der IB in Bezug auf Organisationsstruktur, Kommunikationsstrategien und Finanzierungsmethoden zeigt, dass die Bedrohung dynamisch ist. Sie erfordert eine adaptive Reaktion von demokratischen Institutionen und der Zivilgesellschaft.


Die IB lernt aus staatlichen Reaktionen und nutzt neue Technologien sowie soziale Trends. Diese Entwicklung bedeutet, dass statische Maßnahmen zur Extremismusbekämpfung unzureichend sind. Die Gefahr ist ein bewegliches Ziel. Sie erfordert Analyse, proaktive Strategien und einen ganzheitlichen Ansatz, der ideologische, operative, finanzielle und digitale Dimensionen der Bedrohung berücksichtigt.


Glossar


Identitäre Bewegung (IB) 

Eine rechtsextreme Bewegung, die sich für den Erhalt einer ethnokulturellen Identität einsetzt.


Identitäre Bewegung Deutschland (IBD)

 Der deutsche Ableger der Identitären Bewegung.


Freiheitliche demokratische Grundordnung (FDGO) 

Die Prinzipien der deutschen Verfassung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte schützen.


Grundgesetz (GG)

Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.


Ethnopluralismus

 Ein Konzept der IB, das von einer Einheitlichkeit von Völkern ausgeht und die kulturelle Reinhaltung der Gesellschaft anstrebt.


Rassismus ohne Rassen

Ein Begriff aus der Rassismusforschung, der die Ideologie der IB beschreibt. Sie vermeidet offene rassistische Begriffe, vertritt aber eine rassistische Weltanschauung.


Metapolitik

 Eine Strategie der IB, die darauf abzielt, die öffentliche Meinung und Debatte im vorpolitischen Raum zu beeinflussen.


Overton-Fenster Ein Konzept, das den Bereich der politisch akzeptablen Ideen in der öffentlichen Debatte beschreibt.


Großer Austausch

Eine Verschwörungstheorie der IB, die eine Ersetzung der europäischen Völker durch multiethnische Bevölkerungen postuliert.


Remigration

 Ein von der IB verwendeter Slogan, der ein Ausweisungsprojekt von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund impliziert.


Verfassungsschutz Die deutschen Nachrichtendienste (Inland) , die die freiheitliche demokratische Grundordnung schützen.


Neue Rechte 

Eine Strömung im rechtsextremen Spektrum, die sich von traditionellen Neonazis abgrenzt und versucht, ihre Ideologie durch Theoriearbeit und Diskursverschieferung gesellschaftsfähiger zu machen.


Tarnvereine Vereine oder Organisationen, die von extremistischen Gruppen genutzt werden, um ihre Ziele zu verschleiern.


Sachsengarde Die Regionalgruppe der Identitären Bewegung in Sachsen.


Stolzmonat 

Eine Kampagne der IB, die als Gegenbewegung zum Pride Month inszeniert wird.


Quellen (Auszug)






















ree

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