Polen schließt am kommenden Freitag Grenze zu Belarus
- Richard Krauss

- 9. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Warschau (emet-new-press) – Polen wird in der Nacht zu Freitag die Grenze zu Belarus schließen. Das kündigte Ministerpräsident Donald Tusk am Dienstag in Warschau an.
Hintergrund sind die großangelegten Militärübungen „Zapad-2025“, die Russland und Belarus ab Freitag in unmittelbarer Nähe zur polnischen Grenze abhalten. Betroffen sind alle Übergänge, auch der Eisenbahnverkehr. Ziel sei es, die nationale Sicherheit zu gewährleisten.

Die Entscheidung fällt in eine Phase angespannter Beziehungen zwischen Warschau und Minsk. Bereits seit der russischen Invasion in der Ukraine 2022 hat Polen seine Ostgrenze stark gesichert. Zahlreiche Übergänge wurden geschlossen, nur noch zwei sind bislang geöffnet. Mit der Ankündigung Tusks werden nun auch diese dichtgemacht.
Die Übungen „Zapad“, auf Deutsch „Westen“, gehören zu den größten Militärmanövern im postsowjetischen Raum. Zapad-2025 soll Szenarien zur Verteidigung des Unionsstaates Russland–Belarus durchspielen. Offiziell werden 13.000 Soldatinnen und Soldaten genannt, Beobachter gehen jedoch von deutlich höheren Zahlen aus. Geprobt werden unter anderem der mögliche Einsatz von Atomwaffen sowie das russische Hyperschallraketensystem Oreshnik.
Das Manöver hat nicht nur für Belarus und Russland symbolischen Charakter. In der Vergangenheit dienten ähnliche Übungen, wie Zapad-2021, als Test für neue Waffen und als politisches Signal an westliche Staaten. Kritiker sehen darin auch eine Form der psychologischen Kriegsführung, die Unsicherheit in den Nachbarländern schüren soll. Vor diesem Hintergrund reagiert Polen nun mit der kompletten Grenzschließung.
Nicht nur Polen, auch Litauen hat seine Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Die Grenzschutzbehörden in Vilnius kündigten an, die Kontrollen zu Belarus und Russland auszuweiten. Dazu gehören zusätzliche Patrouillen, Drohneneinsätze und eine engere Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Auch Lettland äußerte sich besorgt und erklärte, die Lage aufmerksam zu beobachten. Auf Seiten der NATO laufen ebenfalls umfangreiche Manöver. In Polen finden derzeit die Übungen „Iron Defender-25“ statt. Rund 30.000 Soldaten, unterstützt von 600 Einheiten schwerer Technik, sind daran beteiligt. In Litauen begann parallel die Übung „Thunder Strike“ mit etwa 17.000 Soldaten. Beide Manöver gelten als direkte Antwort auf die russisch-belarussischen Aktivitäten.
Die diplomatischen Spannungen wurden zuletzt durch die Festnahme eines polnischen Staatsbürgers in Belarus verschärft. Der Mann, ein 27-jähriger Karmelitermönch, wird der Spionage verdächtigt. Er soll Dokumente zu den Zapad-Übungen besessen haben. Minsk sprach von einem ernsthaften Sicherheitsvergehen. Warschau wies die Vorwürfe zurück und bezeichnete die Festnahme als politisch motiviert. Für Polen ist der Fall ein weiterer Beleg für das aggressive Vorgehen des belarussischen Regimes.
Die Zapad-Manöver haben eine lange Tradition. Schon in der Sowjetzeit dienten sie als Machtdemonstration gegenüber dem Westen. Nach 1991 führten Russland und Belarus die Übungen in veränderter Form weiter. Besonders Zapad-2017 und Zapad-2021 standen im Fokus internationaler Beobachter.
Während Zapad-2021 mobilisierte Russland nach Schätzungen bis zu 200.000 Soldaten. Kurz darauf begann der großangelegte Angriff auf die Ukraine. Aus westlicher Sicht verstärkt dieses Muster die Sorge, dass Zapad-2025 mehr als nur eine Routineübung sein könnte.
Polen hat seit 2022 ein umfassendes Programm zum Schutz seiner Ostgrenze aufgelegt. Dazu gehört der Bau eines 180 Kilometer langen Grenzwalls, ergänzt durch elektronische Überwachungssysteme wie Wärmebildkameras und Drohnen.
Zudem wurde die Zahl der eingesetzten Grenzschützer deutlich erhöht. Mit der Schließung aller Übergänge folgt nun der nächste Schritt. Für die Zivilbevölkerung bedeutet dies Einschränkungen im Grenzverkehr, für Handel und Transport eine weitere Belastung.
Die Ostgrenze Polens gilt als eine der sensibelsten Zonen im Bündnisgebiet der NATO. Ein möglicher Konflikt in dieser Region hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheitslage ganz Europas. Mit der Schließung der Grenze setzt Polen ein Signal der Entschlossenheit.
Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit mit den baltischen Staaten und mit Deutschland verstärkt. Die NATO sieht in den Zapad-Manövern eine Herausforderung, reagiert jedoch mit Zurückhaltung, um eine Eskalation zu vermeiden.
Offizielle Reaktionen aus Moskau und Minsk blieben zunächst aus. Beide Staaten betonen regelmäßig den defensiven Charakter ihrer Übungen.
Für westliche Beobachter sind diese Beteuerungen allerdings wenig überzeugend. Dass Szenarien mit Atomwaffen geprobt werden, gilt als gezielte Provokation.
Die NATO hat zwar Beobachter entsandt, erwartet jedoch keine vollständige Transparenz. Entscheidend wird sein, ob die Zahl der tatsächlich eingesetzten Truppen die offiziellen Angaben überschreitet.
Mit dem Beginn von Zapad-2025 ab Freitag rückt die Region erneut in den Fokus internationaler Aufmerksamkeit. Polen und Litauen haben ihre Maßnahmen klar definiert, weitere Schritte sind von der Entwicklung der Lage abhängig. Sollte es zu Zwischenfällen an der Grenze kommen, könnte sich die Situation schnell zuspitzen.
Für die NATO steht die Glaubwürdigkeit ihrer Abschreckungspolitik auf dem Spiel, für Polen die Sicherheit der eigenen Bevölkerung.
Die Schließung der Grenze zu Belarus ist damit mehr als eine kurzfristige Maßnahme. Sie symbolisiert die neue Realität an der Ostflanke Europas, in der militärische Abschreckung und politische Spannungen den Alltag bestimmen. Ob es bei Manövern und Drohgebärden bleibt, hängt von den kommenden Tagen ab. Klar ist: Die Nervosität im östlichen Bündnisgebiet ist so hoch wie selten zuvor.
Quellenliste
Reuters: Poland closing Belarus border due to Zapad military exercises, PM says, 9.9.2025
Associated Press (AP): Belarus detains Polish Carmelite monk for alleged spying, 5.9.2025
Financial Times: Poland’s border security measures since 2022, 2023
The Guardian: Baltic states on alert ahead of Zapad 2025 drills, 9.9.2025
NV English: Poland launches Iron Defender-25 in response to Zapad, 6.9.2025
Europäisches Parlament: Parliamentary questions on Zapad-2025, 2025



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