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Zwischen Effizienz und Überwachung: Der Streit um Palantir in Bayerns Polizei

Richard Krauss

23. Juni 2025

Algorithmus statt Ermittlerblick? Palantir und die Zukunft der Polizeiarbeit

Der Einsatz der Analyse-Software Palantir in Bayern steht exemplarisch für die aktuellen Spannungsfelder zwischen moderner Polizeiarbeit, Datenschutz und rechtsstaatlichen Prinzipien. Ursprünglich als Instrument zur Terrorabwehr entwickelt, hat sich die Anwendung des Systems in den vergangenen Jahren sukzessive auf den Bereich der Alltagskriminalität ausgeweitet. Unter dem Projektnamen VeRA verknüpft die Software im Auftrag des bayerischen Landeskriminalamts unterschiedlichste polizeiliche Datenquellen, analysiert diese automatisiert und soll so Ermittlungsansätze liefern, die menschlichen Auswertern verborgen bleiben könnten.


Doch genau diese umfassende Datenverknüpfung ruft erhebliche datenschutzrechtliche und gesellschaftspolitische Bedenken hervor. Kritikerinnen und Kritiker monieren, dass Palantir ein bislang ungekanntes Maß an Durchleuchtung von Bürgerinnen und Bürgern ermögliche. Die Software generiert aus einer Vielzahl von Einzeldaten – etwa aus Verkehrskontrollen, Zeugenaussagen oder polizeilichen Ermittlungsakten – komplexe Profile, die nicht nur Tatverdächtige, sondern auch Zeugen und Unbeteiligte erfassen können. Damit, so die Befürchtung, droht eine schleichende Erosion des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung.


Juristisch bewegt sich der Einsatz von Palantir in Bayern auf einem schmalen Grat. Erst nach einer Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes wurde die Nutzung der Software rechtlich abgesichert. Zuvor hatte der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte den Testbetrieb mit Echtdaten als klar rechtswidrig eingestuft – eine Einschätzung, die von den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestags geteilt wurde. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einem Grundsatzurteil enge Grenzen für die automatisierte Datenanalyse gezogen: Nur bei konkreten, nachvollziehbaren Gefahrenlagen darf auf derart weitreichende Instrumente zurückgegriffen werden. Die bayerische Regelung wurde zwar vom Verfassungsgerichtshof im Kern bestätigt, jedoch unter die Prämisse gestellt, dass der Einsatz von Palantir einer strikten Einzelfallprüfung unterliegt und nicht zur Routine werden darf.


Ein weiterer Aspekt der Debatte betrifft die Transparenz der eingesetzten Algorithmen. Bislang bleibt für Außenstehende weitgehend im Dunkeln, nach welchen Kriterien die Software Verknüpfungen herstellt und welche Faktoren in die Bewertung einfließen. Datenschützer warnen vor der Gefahr von Diskriminierung und „False Positives“, also der fälschlichen Verdächtigung Unbeteiligter. Hinzu kommt die geopolitische Dimension: Palantir ist ein US-amerikanisches Unternehmen mit engen Verbindungen zu Geheimdiensten. Zwar konnte das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie in einer Quellcode-Analyse keine Hinweise auf Datenabflüsse in die USA feststellen, doch die Skepsis bleibt.


Die politische und gesellschaftliche Diskussion ist entsprechend kontrovers. Während das Innenministerium auf die Effizienzgewinne und die Notwendigkeit moderner Werkzeuge im Kampf gegen organisierte Kriminalität verweist, sehen Bürgerrechtsorganisationen und Teile der Opposition in Palantir ein Einfallstor für den Überwachungsstaat. Die SPD prüft eine Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof, Bürgerrechtsorganisationen haben bereits Verfassungsbeschwerden eingereicht.


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