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Wehrdienstreform: Freiwillig starten, Pflicht als Rückversicherung

Richard Krauss

31. Aug. 2025

Fragebögen für 18-Jährige, verpflichtende Musterung ab 2027 geplant

Berlin (emet-new-press) – Die Bundesregierung hat am 27. August den Gesetzentwurf für einen „Neuen Wehrdienst“ beschlossen. Das Modell setzt ab 2026 zunächst auf Freiwilligkeit und führt eine Wehrerfassung über Fragebögen ein.


Männer sind zur Auskunft verpflichtet, Frauen können freiwillig antworten. Ziel ist eine stärkere Reserve und ein planbarer Aufwuchs im Ernstfall. Der Bundestag berät den Entwurf in den kommenden Wochen.


A 400 Strandlandung (Foto: Bundewehr)
A 400 Strandlandung (Foto: Bundewehr)

Vorgesehen sind eine Grundausbildung von sechs Monaten und die Möglichkeit längerer Verpflichtungen bis zu 23 Monaten. Eine verpflichtende Musterung soll nach Aufbau der Strukturen ab 1. Juli 2027 beginnen.


Reichen Freiwillige nicht aus, kann die Bundesregierung nach Parlamentsbeschluss verpflichtend heranziehen. Die Ausgestaltung orientiert sich an selektiven Modellen mit breiter Erfassung und Einzug eines Teils der Jahrgänge.


Die Bundeswehr meldete zum 31. Juli 2025 rund 182.984 Soldatinnen und Soldaten sowie 80.602 Zivilbeschäftigte. Die Personalstärke soll in den kommenden Jahren wachsen, mit Schwerpunkt auf Mannschaftsdienstgraden und einer größeren Reserve.


Engpässe bestehen bei Ausbildungskapazitäten und Unterkünften. Berichte nennen Sanierungsbedarf in Kasernen und limitierende Faktoren bei der schnellen Skalierung.

Parteipolitisch unterstützen die SPD und die Bundesregierung das freiwillige Modell mit Wehrerfassung.


Die CDU/CSU fordert einen Mechanismus, der bei ausbleibenden Freiwilligen automatisch eine Pflicht auslöst. In den Grünen gibt es Vorschläge für einen gesellschaftlichen Pflichtdienst und deutlichen Widerspruch aus der Jugendorganisation. Die AfD wirbt für eine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht, teils mit längeren Dienstdauern. Die Linke lehnt Wehr- und Zwangsdienste ab. Das BSW sieht im Entwurf einen Schritt in Richtung Pflicht.


Im europäischen Vergleich setzen mehrere Staaten auf selektive, teils geschlechtsneutrale Systeme. Dänemark bezieht seit 1. Juli 2025 Frauen in die Wehrpflicht ein und nutzt bei Bedarf ein Losverfahren. Norwegen und Schweden mustern komplette Jahrgänge und ziehen einen Teil ein.


Fortgeführt bleibt die männliche Pflicht unter anderem in Finnland, Griechenland, Zypern, Österreich und der Schweiz. In Estland, Litauen und Lettland wurde der Dienst nach 2014 reaktiviert. In den Niederlanden ruht die Dienstpflicht, die Registrierung ist geschlechtsneutral. Frankreich, Italien, Spanien und Portugal haben die Wehrpflicht abgeschafft und setzen auf Berufsarmeen oder zivile Jugenddienste.


Verfassungsrechtlich bleibt die Wehrpflicht als Option zulässig. Artikel 12a des Grundgesetzes erlaubt eine Dienstpflicht für Männer; Frauen dürfen nicht zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden. Die Einberufung wurde 2011 ausgesetzt, nicht abgeschafft. Der Auftrag der Bundeswehr ist in Artikel 87a als Landes- und Bündnisverteidigung verankert. Bewaffnete Auslandseinsätze bedürfen eines Mandats des Bundestags nach Parlamentsbeteiligungsgesetz.


Einsatzfelder für Wehrpflichtige und künftige Wehrdienstleistende liegen vor allem in Grund- und Truppenausbildung, Objektschutz, Unterstützung der Landes- und Bündnisverteidigung im Inland sowie in Logistik und Sanitätsdienst. Amtshilfe bei Katastrophenlagen bleibt möglich.


Bewaffnete Auslandseinsätze werden in der Praxis durch Zeit- und Berufssoldaten getragen; eine Entsendung rein Wehrpflichtiger in bewaffnete Auslandseinsätze ist nicht vorgesehen.

Im Spannungs- oder Verteidigungsfall können Wehrpflichtige im Rahmen von Landes- und Bündnisverteidigung eingesetzt werden; zivile Dienstverpflichtungen sind in Artikel 12a Absätze 3 bis 5 geregelt.


Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, betont das Freiwilligkeitsprinzip und bezeichnet eine mögliche Pflicht als „Rückversicherung“. Zugleich verweist er auf den Bedarf, Personal und Reserve spürbar zu erhöhen. In Papieren und Interviews wird auf den Aufbau einer deutlich größeren beorderten Reserve verwiesen.


Quellen:


https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/neuer-wehrdienstgesetzentwurf-2381580

https://www.bmvg.de/de/neuer-wehrdienst

https://www.bmvg.de/resource/blob/5988804/d1c61437234ee4b30eae48f2994cceea/dl-regierungsentwurf-gesetz-modernisierung-des-wehrdienstes-data.pdf

https://www.bmvg.de/resource/blob/5982718/cd94e6ab3eda25e69f18c056fd1b6793/dl-gesetzentwurf-wehrdienst-data.pdf

https://www.bundeswehr.de/de/organisation/zahlen-daten-fakten/personalzahlen-bundeswehr

https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_12a.html

https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_87a.html

https://www.bundestag.de/webarchiv/Ausschuesse/ausschuesse19/a12_Verteidigung/auslandseinsaetze/parlamentsbeteiligungsgesetz-542628

https://www.deutschlandfunk.de/generalinspekteur-breuer-freiwilliger-wehrdienst-kann-ausreichen-altes-pflicht-modell-als-rueckversi-100.html

https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/bundeswehr-reservisten-ungediente-internes-papier-100.html

https://fmn.dk/da/nyheder/2025/fuld-ligestilling-i-varnepligten-fremrykkes/

https://www.forsvaret.dk/da/nyheder/2025/nu-er-varnepligten-fuldt-ligestillet/

https://www.regjeringen.no/no/tema/forsvar/allmenn-verneplikt/id2009109/

https://www.pliktverket.se/om-myndigheten/in-english

https://puolustusvoimat.fi/en/conscription

https://kariuomene.lt/en/who-we-are/military-service/23649

https://www.mod.gov.lv/en/national-defence-service

https://mil.ee/en/compulsory-military-service/

https://www.bundesheer.at/grundwehrdienst

https://www.ch.ch/de/sicherheit-und-recht/militardienst-und-zivildienst/militardienst/

https://www.rijksoverheid.nl/onderwerpen/defensiepersoneel/dienstplicht


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