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Sport als Tarnung: Wie Active Clubs Rechtsextreme vernetzen

Richard Krauss

10. Juni 2025

Telegram als Rekrutierungszentrale: In nur zwei Wochen sammelte der deutsche Active Club-Kanal mehr als 1.200 Abonnenten – ein Beleg für die digitale Dynamik der Szene.

In den vergangenen Jahren ist im rechtsextremen Milieu eine neue, schwer zu fassende Bewegung entstanden: die sogenannten Active Clubs. Was zunächst wie harmlose Sportgruppen wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als international vernetztes Netzwerk mit klar rechtsextremer Ausrichtung. Die Wurzeln dieser Clubs liegen in den USA. Dort entwickelte Robert Rundo, ein bekannter Neonazi und Gründer der "Rise Above Movement", im Jahr 2021 das Konzept. Ziel ist es, über gemeinsamen Sport, insbesondere Kampfsportarten wie MMA, eine neue Generation junger Männer für Ideologien des weißen Nationalismus zu gewinnen. Die Strategie ist einfach: Die Clubs bieten Gemeinschaft, körperliche Ertüchtigung und Zugehörigkeit – politische Botschaften treten zunächst in den Hintergrund.


Politische Indoktrination ist jedoch von Beginn an Teil des Konzepts. Wer regelmäßig mittrainiert, wird nicht nur körperlich fitter, sondern schrittweise in ein Weltbild eingeführt, das von Verschwörungserzählungen, Rassismus und der Vorstellung eines "weißen Genozids" geprägt ist. Die Struktur der Active Clubs ist dezentral, jede Gruppe agiert eigenständig, doch alle sind über soziale Netzwerke miteinander verbunden. In den USA sind sie bereits in mehr als 30 Bundesstaaten aktiv, in Europa gibt es Ableger in Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Skandinavien, Polen, Italien und Kroatien. Auch in Deutschland wächst die Szene: Mindestens ein Dutzend Gruppen sind inzwischen bekannt, darunter Active Club Germania, Brandenburg, Westerzgebirge oder Nordgau. Der zentrale Telegram-Kanal der deutschen Szene erreichte in den ersten zwei Wochen mehr als 1.200 Abonnentinnen und Abonnenten, inzwischen sind es über 1.300.


Die Rekrutierung erfolgt meist über niedrigschwellige Angebote: gemeinsames Training, Wandern, Grillabende oder Musikveranstaltungen. Die Clubs nutzen gezielt soziale Medien wie Telegram, Instagram und TikTok, um neue Mitglieder anzusprechen und ihre Aktivitäten zu koordinieren. Die Propaganda ist professionell gestaltet und vermittelt ein Bild von Stärke, Zusammenhalt und Modernität. So erreichen die Gruppen auch Jugendliche und junge Erwachsene außerhalb klassischer rechtsextremer Milieus.


Psychologisches Profil und Selbstwahrnehmung der Anhänger


Die Mitglieder der Active Clubs sind überwiegend junge Männer zwischen 16 und 35 Jahren, oft in Lebensphasen der Unsicherheit oder Identitätssuche. Ihr Bildungsgrad ist unterschiedlich, viele haben einen mittleren Abschluss, einige stammen aus ländlichen Regionen mit begrenzten Freizeitangeboten. Entscheidend ist weniger der formale Bildungsgrad als das Gefühl sozialer oder politischer Marginalisierung. Die Clubs sprechen gezielt Menschen an, die nach Zugehörigkeit, Struktur und Anerkennung suchen.


Das psychologische Profil ist geprägt vom Bedürfnis, Teil einer starken Gemeinschaft zu sein. Die Mitglieder erleben sich als "Elite" oder "Beschützer" einer bedrohten Gesellschaft. Das Training im Kampfsport verstärkt das Selbstbild als physisch und ideologisch überlegene Kämpfer. Die Betonung traditioneller Männlichkeit und körperlicher Stärke kompensiert häufig Unsicherheiten in der eigenen Geschlechterrolle oder im sozialen Status. Die Überzeugung, Teil einer "wissenden Elite" zu sein, die die "wahre Bedrohung" erkennt, befriedigt das Bedürfnis nach Kontrolle und Bedeutung.


Die Radikalisierung erfolgt schrittweise: Sport und Freizeitaktivitäten wirken zunächst unpolitisch und bieten einen leichten Einstieg. Erst nach und nach werden rassistische oder antisemitische Narrative eingeführt. Gruppendynamik, gemeinsames Training und Propagandaaktionen wie das Anbringen von Stickern oder Bannern schaffen ein ausgeprägtes "Wir-gegen-die"-Gefühl und erhöhen die Bindung an die Gruppe. Kampfsport dient nicht nur als Mittel zur Selbstverteidigung, sondern auch als Ventil für Aggressionen und als Legitimation für Gewalt.


Vernetzung, politische Überschneidungen und Gewaltpotenzial


Ein besonderes Merkmal der Active Clubs ist ihre enge Vernetzung mit anderen rechtsextremen Organisationen. In Deutschland gibt es Überschneidungen mit Gruppen wie "Der III. Weg", den "Jungen Nationalisten" und der "Identitären Bewegung". Die Clubs betonen ihre Überparteilichkeit, laden aber gezielt Mitglieder anderer rechtsextremer Strukturen ein und schaffen so ein breites, schlagkräftiges Netzwerk. Ziel ist es, interne Spaltungen zu überwinden und eine gemeinsame, radikale Subkultur zu etablieren.


Auch im politischen Umfeld gibt es nachweisbare Verbindungen zwischen einzelnen CDU-Politikern und der AfD sowie der MAGA-Bewegung, wobei es sich um Einzelfälle und nicht um eine offizielle Linie der Partei handelt. So veranstaltete Peter Kurth, ehemaliger Berliner CDU-Finanzsenator, 2023 in seiner Privatwohnung ein Treffen, an dem neben dem AfD-Europaspitzenkandidaten Maximilian Krah auch der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner von der Identitären Bewegung teilnahm. Kurth gab an, mit mehreren AfD-Mitgliedern persönlich befreundet zu sein, engagierte sich in einer ultrarechten Burschenschaft und war an der Finanzierung eines Immobilienprojekts der Identitären Bewegung beteiligt. Ein weiterer Fall betrifft Robert Möritz, CDU-Mitglied aus Sachsen-Anhalt, der seine Mitgliedschaft in der umstrittenen Gruppe "Uniter" bestätigte, die Verbindungen zur rechtsextremen Szene aufweist.


Auf ideologischer Ebene gibt es Annäherungen an Netzwerke der US-amerikanischen MAGA-Bewegung. So nahm 2024 die CDU-Kampagnenmanagerin Christine Carboni, eine Mitarbeiterin von Friedrich Merz, an der "Berlin Campaign Conference" teil. Diese Konferenz wurde von der Trump-nahen Organisation "The Republic" mitorganisiert und brachte US-MAGA-Unterstützer, darunter die Heritage Foundation mit ihrem "Project 2025", mit deutschen Konservativen zusammen. Ziel der Veranstaltung war es, rechtspopulistische Agenden wie Steuersenkungen und den Abbau von Klimaschutzmaßnahmen zu fördern. Die CDU-nahe Union Stiftung unterstützte die Konferenz auch finanziell.


Rhetorisch gibt es innerhalb der CDU Stimmen, die eine Normalisierung des Umgangs mit der AfD fordern. Jens Spahn etwa plädierte dafür, die AfD im Bundestag wie jede andere Oppositionspartei zu behandeln, einschließlich der Vergabe von Ausschussvorsitzen. Diese Haltung wird von CDU-Politikern wie Philipp Amthor und Michael Kretschmer unterstützt. Parteichef Friedrich Merz orientierte sich in seiner Kampagnenstrategie zudem an US-Republikanern und griff Elemente der MAGA-Rhetorik auf, etwa durch polarisierende Aussagen zu Migration und gesellschaftspolitischen Themen.


Auch auf finanzieller und struktureller Ebene gibt es Überschneidungen. Die CDU-nahe Union Stiftung unterstützte die MAGA-affine Berlin Campaign Conference nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell und gilt innerhalb der Partei als Akteur mit deutlicher Rechtsorientierung. Zudem hält die Stiftung Anteile an der Saarbrücker Zeitung, die immer wieder rechtspopulistische Positionen veröffentlicht hat.


Risiken und Folgen für die freiheitliche demokratische Grundordnung


Die zunehmende Ausbreitung und Professionalisierung der Active Clubs stellt ein ernstzunehmendes Risiko für die freiheitliche demokratische Grundordnung in Deutschland dar. Diese Gruppen verbinden rechtsextreme Ideologien mit einem modernen, sport- und gemeinschaftsorientierten Auftreten und sprechen damit gezielt junge Menschen an. Ihr Ziel ist nicht nur die Verbreitung rassistischer und antipluralistischer Weltbilder, sondern auch die Vorbereitung auf gewaltsame Auseinandersetzungen und letztlich die Abschaffung der Demokratie zugunsten eines autoritären, völkisch geprägten Staatsmodells.


Active Clubs agieren dezentral, knüpfen Kontakte zu anderen rechtsextremen Gruppen und nutzen moderne Kommunikationswege, um sich der Beobachtung durch Behörden zu entziehen. Ihre Strategie des „führerlosen Widerstands“ erschwert eine effektive Strafverfolgung und ermöglicht es, gezielt demokratische Institutionen zu unterwandern oder zu delegitimieren. Die Clubs trainieren gezielt für Gewalt und propagieren die Vorbereitung auf einen „Umsturz“. In der Vergangenheit kam es bereits zu Übergriffen, Sachbeschädigungen und Einschüchterungsversuchen gegenüber politischen Gegnern, Migrantinnen und Migranten sowie der LGBTQ+-Community. Das Gewaltpotenzial wird von Sicherheitsbehörden als „potenziell erheblich“ eingestuft.


Durch niedrigschwellige Angebote wie Sport, Freizeitaktivitäten und soziale Medien gelingt es den Clubs, auch bislang unpolitische oder unauffällige junge Menschen zu erreichen und schrittweise zu radikalisieren. Die Gefahr besteht, dass so eine neue Generation von Rechtsextremen heranwächst, die sich offen gegen die Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stellt. Rechtsextreme Gruppen wie die Active Clubs lehnen zentrale Prinzipien der FdGO – wie Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, Volkssouveränität und Pluralismus – ab und setzen stattdessen auf ethnische Homogenität, Führerprinzip und Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Staatliche Repräsentanten, Polizei und demokratische Parteien werden als Feindbilder markiert und gezielt angegriffen.


Die Clubs sind Teil eines internationalen Netzwerks. Sie profitieren von Erfahrungen und Strukturen aus den USA und anderen europäischen Ländern, was ihre Strategien und ihr Mobilisierungspotenzial deutlich erhöht. Die Nutzung von Kampfsport, Musik und moderner Propaganda macht sie anschlussfähig für verschiedene Milieus und erschwert die gesellschaftliche Abgrenzung.


Active Clubs sind damit weit mehr als harmlose Sportgruppen. Sie sind ein strategisch aufgebautes Netzwerk, das gezielt auf die Rekrutierung und Radikalisierung einer neuen Generation von Rechtsextremen abzielt. Ihr Auftreten ist modern, ihre Methoden sind effektiv, und ihr Gewaltpotenzial ist hoch. Wer ihnen begegnet, sieht oft nur die Oberfläche – doch darunter verbirgt sich eine Bewegung, die die extreme Rechte in den USA, Europa und Deutschland enger vernetzt als je zuvor. Ihr psychologisches Konzept macht sie zur Einstiegsdroge in den Rechtsextremismus: Sie bieten Zugehörigkeit, Selbstwert und eine scheinbar klare Identität – und führen so junge Menschen Schritt für Schritt in ein gefährliches Milieu, das die Grundfesten der Demokratie herausfordert.

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