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Machtprobe im Bundestag:
Wer bestimmt die Zukunft
des Verfassungsgerichts?

Richard Krauss

11. Juli 2025

Gezielte Diskreditierung "just in time"

Im Bundestag steht aktuell die Wahl neuer Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht an. Das Verfahren ist von großer politischer Bedeutung und unterliegt besonderen Regeln: Für eine erfolgreiche Wahl ist eine breite Mehrheit notwendig, die Kandidatin oder der Kandidat benötigt Stimmen aus mehreren Fraktionen.


Frauke Brosius-Gersdorf wurde von der SPD vorgeschlagen. Ihre juristischen Positionen zu Themen wie Schwangerschaftsabbruch, religiöser Neutralität und Impfpflicht werden in verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Gruppen unterschiedlich bewertet.


In der Union und bei katholischen Verbänden gibt es Vorbehalte gegenüber ihrer Kandidatur. Andere Fraktionen und gesellschaftliche Akteure sehen in ihr eine Vertreterin moderner Rechtsstaatlichkeit.

Die Abstimmung im Bundestag erfolgt geheim. Das Abstimmungsverhalten einzelner Abgeordneter ist daher nicht öffentlich nachvollziehbar. Die AfD hat angekündigt, nur den Unionskandidaten zu unterstützen. Die Linke hat sich bislang nicht festgelegt. Dadurch entstehen Unsicherheiten über den Ausgang der Wahl.


Am 11. Juli 2025 sollte im Bundestag über die Neubesetzung von drei Richterstellen am Bundesverfassungsgericht abgestimmt werden. Die Kandidatinnen der SPD sind Frauke Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold, die Union schlägt Günter Spinner vor. Die Wahl erfolgt geheim.


Gewählt ist, wer eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen und mindestens 316 Stimmen der Mitglieder erhält. Kommt keine Mehrheit zustande, entscheidet der Bundesrat.


Kurz vor der Wahl wurden strategisch platziert Plagiatsvorwürfe gegen Brosius-Gersdorf öffentlich gemacht. Die diskreditierende Wirkung drängt sich auf. Der österreichische Plagiatsgutachter Stefan Weber hat in ihrer Dissertation 23 Verdachtsstellen auf Kollusion und Quellenplagiate festgestellt.


Weber verglich die Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf mit der Habilitationsschrift ihres Ehemannes Hubertus Gersdorf und fand nahezu identische Passagen und Zitierfehler in beiden Werken. Die Vorwürfe wurden am Tag vor der Wahl von mehreren Medien und Politikern der CDU/CSU-Fraktion öffentlich thematisiert. Klaus-Peter Willsch (CDU) forderte daraufhin den Rückzug der Kandidatur.


Die Union drohte mit Enthaltung bei der Wahl, sollte die SPD an Brosius-Gersdorf festhalten. Fraktionschef Jens Spahn verwies in der Fraktionssitzung explizit auf die Plagiatsvorwürfe als Grund für den Widerstand.


Neben den Plagiatsvorwürfen gibt es in der Union und bei kirchlichen Gruppen Vorbehalte gegen Brosius-Gersdorf wegen ihrer juristischen Positionen zu Schwangerschaftsabbruch, religiöser Neutralität und Impfpflicht.


Eine Petition gegen ihre Kandidatur, die sich vor allem auf ihre Haltung zum Lebensschutz bezieht, wurde von mehr als 13.000 Personen unterzeichnet. Innerhalb der CDU/CSU gibt es Stimmen, die Brosius-Gersdorf als „ultralinks“ einstufen, andere sehen sie als respektable Kandidatin der SPD.


Im Bundestag wurde auch die Möglichkeit einer Verschiebung der Wahl diskutiert. Die Union forderte am Wahltag, die Wahl von Brosius-Gersdorf von der Tagesordnung zu nehmen, unter anderem wegen der Plagiatsvorwürfe und angeblicher Zweifel an ihrer Fachkompetenz.


Die Wahl wurde kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen, wie Medien am Morgen des 11. Juli berichten. Sollte die Wahl nicht erfolgreich sein, würde der Bundesrat über die Besetzung entscheiden. Dies hätte Auswirkungen auf die Rolle des Parlaments im Verfahren.


Die Wahl der Verfassungsrichter zeigt, wie politische, gesellschaftliche und mediale Faktoren in Entscheidungsprozesse einfließen. Die öffentliche Diskussion um die Kandidatin und das Verfahren spiegelt die Vielschichtigkeit demokratischer Entscheidungsfindung wider.


Hintergrund:


Das Wahlverfahren für das Bundesverfassungsgericht ist in Deutschland klar geregelt und dient der Sicherung der Unabhängigkeit und demokratischen Legitimation des höchsten Gerichts.


Insgesamt besteht das Bundesverfassungsgericht aus 16 Richterinnen und Richtern, die jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt werden. Die Amtszeit beträgt maximal zwölf Jahre, eine Wiederwahl ist ausgeschlossen.


Die Nominierung der Kandidatinnen und Kandidaten erfolgt durch die Fraktionen im Bundestag. Ein Wahlausschuss, der aus zwölf Abgeordneten besteht, bereitet die Wahl vor und spricht Empfehlungen für die Kandidaten aus.


Die eigentliche Abstimmung findet im Plenum des Bundestags statt und erfolgt geheim. Für die Wahl ist eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, mindestens jedoch die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, was derzeit mindestens 316 Stimmen entspricht.


Das geheime Wahlverfahren soll gewährleisten, dass die Abgeordneten unabhängig von Fraktionszwängen abstimmen können. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden einzeln zur Wahl gestellt, und die Abgeordneten geben ihre Stimmen in einer geheimen Abstimmung ab.


Wird die erforderliche Mehrheit nicht erreicht, kann ein weiterer Wahlgang stattfinden. Sollte auch dann keine Entscheidung fallen oder die Wahl verschoben werden, geht die Entscheidung an den Bundesrat über.


Bei der aktuellen Wahl am 11. Juli 2025 sollten drei Richterstellen neu besetzt werden. Aufgrund von Plagiatsvorwürfen und politischen Kontroversen wurde die Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf jedoch kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen.


Insgesamt zeigt das Verfahren, wie stark politische, gesellschaftliche und mediale Faktoren in die Wahl der Verfassungsrichter einfließen können.


Kommt im Bundestag keine Mehrheit zustande oder wird die Wahl verschoben, entscheidet letztlich der Bundesrat über die Besetzung der offenen Stellen.


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