Richard Krauss
15. Juli 2025
Keine konkrete Schutzpflicht
Deutschlands gegenüber
jemenitischen Klägern
Mit Urteil vom 15. Juli 2025 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die
Verfassungsbeschwerde zweier jemenitischer Staatsangehöriger zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführer hatten geltend gemacht, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre grundrechtliche Schutzpflicht verletzt habe, indem sie die Nutzung der US-Air Base Ramstein in Rheinland-Pfalz zur Unterstützung von Drohneneinsätzen der Vereinigten Staaten im Jemen nicht unterbunden habe.
Die Kläger hatten seit 2014 vor den Verwaltungsgerichten versucht, Deutschland zu einem aktiven Einschreiten gegen die Drohneneinsätze zu verpflichten, da bei einem solchen Einsatz 2012 nahe Angehörige im Jemen getötet worden waren.
Während sie vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg hatten, gab ihnen das Oberverwaltungsgericht teilweise recht. Dieses verpflichtete die Bundesregierung dazu, sich zu vergewissern, dass durch die Nutzung der Air Base Ramstein keine völkerrechtswidrigen Drohneneinsätze erfolgen. Das Bundesverwaltungsgericht hob dieses Urteil wieder auf – das Bundesverfassungsgericht bestätigte nun diese Bewertung.
Das Gericht erkannte grundsätzlich an, dass das Grundgesetz einen allgemeinen Schutzauftrag zum Erhalt grundlegender Menschenrechte auch mit Auslandsbezug vorsieht. Dieser kann sich in bestimmten Fällen zu einer konkreten staatlichen Schutzpflicht verdichten. Dafür müssen jedoch zwei Bedingungen erfüllt sein: ein hinreichender Bezug der Gefahr zur deutschen Staatsgewalt sowie eine ernsthafte Gefahr systematischer Verletzungen des Völkerrechts.
Im konkreten Fall sah der Zweite Senat durch die in Ramstein betriebene Satelliten-Relaisstation, die Kommunikationssignale bei Drohneneinsätzen übermittelt, zwar einen möglichen Bezug zur deutschen Staatsgewalt. Allein die technische Infrastruktur und das Wissen der Bundesregierung darüber reichten jedoch nicht aus, um eine konkrete Verantwortung Deutschlands zu begründen.
Vor allem aber verneinte das Gericht das Vorliegen einer ernsthaften Gefahr systematischer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch die Vereinigten Staaten im Rahmen ihrer Einsätze im Jemen. Zwar gebe es völkerrechtliche Diskussionen über die Auslegung legitimer militärischer Ziele und das Vorgehen bei sogenannten gezielten Tötungen, doch bewege sich die US-amerikanische Rechtsauffassung innerhalb des noch völkerrechtlich Vertretbaren.
Auch Berichte internationaler Organisationen, UN-Resolutionen oder die reine Zahl ziviler Opfer reichten dem Gericht nicht als Beleg für systematische Verstöße. Die USA hätten in ihrer Einsatzpraxis zudem Maßnahmen ergriffen, um den Schutz von Zivilpersonen zu verbessern und größere Transparenz zu schaffen, etwa durch die Offenlegung von Einsatzregeln.
Letztlich wies das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland in ein System internationaler Zusammenarbeit eingebunden sei und Handlungsspielräume in außen- und sicherheitspolitischen Fragen aufweise. Eine Schutzpflicht gegenüber im Ausland lebenden Personen könne daher weder in ihrem Umfang noch in ihrer Form mit jener gegenüber Personen im Inland gleichgesetzt werden.
Das Urteil setzt damit einen wichtigen Maßstab zur Frage, inwieweit Deutschland bei der technisch-infrastrukturellen Unterstützung internationaler Militäreinsätze durch Bündnispartner wie die USA völkerrechtlich verpflichtet ist, aktiv einzugreifen.
Es unterstreicht zugleich die hohe Schwelle, die erfüllt sein muss, damit sich aus einem allgemeinen Schutzauftrag eine konkrete Schutzpflicht des deutschen Staates ableiten lässt.
Aktenzeichen 2 BvR 508/21
