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Ausspähverdacht im Osten: Drohnen über Häfen und Bahn

Richard Krauss

29. Aug. 2025

NYT: Ausspähung von Versorgungsrouten für die Ukraine – Minister verweist auf geringe Handhabe im zivilen Luftraum

Berlin (emet news press) – Deutschland sieht sich nach Medienberichten mit möglichen russischen Ausspähflügen über Ostdeutschland konfrontiert. Laut einem Bericht der „New York Times“ sollen Russland oder ihm nahestehende Akteure Aufklärungsdrohnen über Routen einsetzen, die für den Transport westlicher Militärgüter an die Ukraine genutzt werden.


Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zeigte sich dazu am Donnerstag in Berlin wenig überrascht – und verwies zugleich auf begrenzte Gegenmaßnahmen, vor allem im zivilen Luftraum.


Symbolbild: Drohne
Symbolbild: Drohne

„Dass Drohnen auch über Häfen und Eisenbahnanlagen unterwegs sind, dürfte niemanden überraschen. Es gibt aber nicht so furchtbar viel Handhabe dagegen“, sagte der SPD-Politiker nach einem Treffen mit seiner spanischen Amtskollegin Margarita Robles. Die Bundeswehr sei für die Überwachung zivilen Territoriums nicht zuständig.


Die „New York Times“ stützt sich bei ihrem Bericht auf Angaben von US- und weiteren westlichen Regierungsquellen. Demnach dienen die Flüge dem Sammeln von Informationen über mögliche Nachschubrouten und Umschlagpunkte. In deutschen Sekundärberichten wurde insbesondere Ostdeutschland genannt; teils ist von Schwerpunkten in Thüringen die Rede.


Eine unabhängige Bestätigung für konkrete Startorte, genutzte Drohnentypen oder die Häufigkeit der Einsätze liegt bislang nicht vor. Pistorius verwies auf die Schwierigkeiten, Steuerungsorte von Drohnen belastbar zuzuordnen. Den Schutz militärischer Anlagen habe man erhöht; zugleich handle es sich bei der Abwehr unkooperativer Drohnen um ein technisches „Katz-und-Maus-Spiel“, in dem Angreifer und Verteidiger fortlaufend nachrüsten. Über Maßnahmen im zivilen Bereich entscheiden in erster Linie die zuständigen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern.


Moskau wies die Berichte zurück. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach von „Zeitungs-Fake“ und erklärte, wäre es zu derartigen Flügen gekommen, hätten deutsche Behörden dies festgestellt und nicht geschwiegen. Eine Stellungnahme zu möglichen Ermittlungen in Deutschland lag zunächst nicht vor. Auch aus dem Umfeld der Nato gab es am Donnerstag keine inhaltliche Bestätigung der Angaben.

Die Hinweise fallen in eine Phase erhöhter Wachsamkeit gegenüber Spionage- und Sabotageaktivitäten in Europa.


Bereits in den vergangenen Monaten registrierten Sicherheitsbehörden in Deutschland vermehrt Drohnensichtungen über kritischen Infrastrukturen – von Hafenanlagen über industrielle Standorte bis hin zu militärischen Einrichtungen. Recherchen zufolge wurden 2024 mindestens zwei Dutzend Ermittlungsverfahren wegen möglicher Ausspähflüge geführt. In Einzelfällen berichteten Medien über mutmaßlich russische Drohnenaktivitäten über der Nordsee sowie über sicherheitsrelevante Vorfälle an Übungsplätzen; eine eindeutige staatliche Zuschreibung blieb meist aus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt seit Längerem vor einer erhöhten Gefährdungslage durch russische Spionage und hybride Operationen.


Zuständigkeitsrechtlich ist die Lage klar getrennt: Für den Schutz und die Abwehrmaßnahmen auf militärischem Gelände ist die Bundeswehr verantwortlich; die Überwachung und Gefahrenabwehr im zivilen Luftraum – etwa über Häfen, Bahnanlagen oder Industriearealen – obliegt den Ländern und der Bundespolizei. Über mögliche Anpassungen von Befugnissen und Technik zur Drohnenabwehr wird seit geraumer Zeit beraten. Details zu laufenden Projekten oder eingeleiteten Maßnahmen nannte die Bundesregierung am Donnerstag nicht.


Parallel zur Debatte über mögliche Ausspähflüge richtete sich der Blick erneut auf die Lage in der Ukraine. Bei den schwersten russischen Luftangriffen seit Wochen wurden in Kyjiw und anderen Regionen zahlreiche Menschen getötet und verletzt; die Vertretung der Europäischen Union in der ukrainischen Hauptstadt wurde nach EU-Angaben beschädigt. Europäische Spitzenpolitiker verurteilten die Angriffe scharf. Pistorius erklärte in Berlin, dies zeige einmal mehr, dass der russische Präsident Wladimir Putin weder an Frieden noch an einer Waffenruhe interessiert sei. Das unterstütze die Einschätzung, dass die Ukraine weiterhin Luftverteidigungsmittel benötige.


Wie groß die tatsächliche Reichweite und Zielgenauigkeit möglicher Aufklärungsflüge über Deutschland ist, bleibt vorerst offen. In Sicherheitskreisen gilt die technische Attribution als zentrale Hürde: Neben visuellen Beobachtungen sind dafür Radar-, Funk- und forensische Telemetriedaten entscheidend – Daten, die in Ermittlungsverfahren nur selten kurzfristig öffentlich gemacht werden.


Bund und Länder verweisen in vergleichbaren Fällen regelmäßig auf laufende Prüfungen. Die Bundesregierung steht nach eigenen Angaben im engen Austausch mit Partnern in EU und Nato. Unabhängig von der konkreten Urheberschaft gilt: Drohnen über kritischen Infrastrukturen können Lagebilder über Transportwege, Sicherheitsroutinen und Umschlagpunkte liefern – Informationen, die für Stör- oder Sabotagehandlungen nutzbar wären.


Entsprechend drängen Sicherheitsbehörden und Betreiber seit Monaten auf abgestimmte Lagebilder, klare Eingriffsregeln und die weitere technische Aufrüstung zur Detektion und Abwehr. Politisch dürfte die Debatte an Fahrt gewinnen, sollte sich der Verdacht erhärten oder zu konkreten Ermittlungsergebnissen führen.


Quellen:


The New York Times — „Russia Is Flying Surveillance Drones Over U.S. Weapons Routes in Germany, Officials Say“, 28.08.2025


Reuters — „Kremlin says report of Russian drones over US weapons routes in Germany looks like fake news“, 28.08.2025


DER SPIEGEL — „Pistorius äußert sich zu russischen Drohnenflügen über Ostdeutschland“, 28.08.2025


ZEIT ONLINE — „Russische Drohnen spähen offenbar Waffentransporte in Deutschland aus“, 28.08.2025


WirtschaftsWoche — „Putins Drohnen-Spionage mitten in Deutschland“, 28.08.2025


Reuters — „EU-Vertretung in Kyjiw bei russischem Angriff beschädigt“, 28.08.2025


CORRECTIV — „Spionage-Drohnen über Deutschland“ (Recherche), 18.02.2025


Bundesamt für Verfassungsschutz — „Gefährdungen durch russische Spionage, Sabotage und Desinformation“ (Hintergrundpapier), 04/2025


aktualisiert: 29.08.2025 - 08:58



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