Richard Krauss
20. Juni 2024
Eine Analyse seiner Aktivitäten und Bedrohungen
Der Islamische Staat (IS), auch bekannt als ISIS oder Daesh, ist eine extremistische Terrororganisation, die seit ihrer Entstehung im Jahr 2013 eine erhebliche Bedrohung für die globale Sicherheit darstellt.
Ursprünglich als Abspaltung von Al-Qaida im Irak formiert, erlangte der IS rasch an Bedeutung und Einfluss, indem er die Instabilität und politischen Vakuum im Nahen Osten ausnutzte, insbesondere in Syrien und im Irak.
Ursprung und Aufstieg des IS
Der IS entstand aus der Al-Qaida im Irak, die nach dem Sturz von Saddam Hussein während des Irakkriegs an Einfluss gewann. Unter der Führung von Abu Bakr al-Baghdadi formierte sich die Gruppe neu und nutzte den Bürgerkrieg in Syrien, um sich auszuweiten. Der IS verfolgte das Ziel, ein Kalifat zu errichten, das nach einer extremistischen Interpretation des Islam regiert wird. Im Jahr 2014 erklärte der IS die Errichtung eines Kalifats und kontrollierte weite Teile des Iraks und Syriens, darunter bedeutende Städte wie Mossul und Rakka.
Ideologie und Propaganda
Die Ideologie des IS basiert auf einer radikalen Auslegung des Salafismus, einer fundamentalistischen Strömung des Islam. Die Organisation strebt die Errichtung eines weltweiten Kalifats an, in dem alle Muslime unter einem einzigen islamischen Führer leben sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt der IS auf extreme Gewalt, Terroranschläge und eine rigide Auslegung der Scharia.
Die Propaganda des IS spielt eine zentrale Rolle in seiner Strategie. Professionell produzierte Videos, die Gräueltaten zeigen, und aufwendige Online-Kampagnen haben dazu beigetragen, Kämpfer aus der ganzen Welt zu rekrutieren und Angst zu verbreiten. Der IS nutzte soziale Medien effektiv, um seine Botschaft zu verbreiten und Anhänger zu mobilisieren.
Militärische Erfolge und Rückschläge
Zwischen 2014 und 2015 erzielte der IS eine Reihe militärischer Erfolge, indem er große Gebiete in Syrien und dem Irak eroberte. Die Einnahme von Städten wie Mossul und Rakka sowie der Zugriff auf Ressourcen wie Öl und Waffen stärkten die Organisation erheblich. Diese Erfolge ermöglichten es dem IS, ein Maß an Governance und Verwaltung aufzubauen, das ihn von anderen terroristischen Gruppen unterschied.
Dennoch begannen ab 2016 internationale Koalitionen, angeführt von den USA, intensive militärische Operationen gegen den IS. Diese Offensive, kombiniert mit den Bemühungen lokaler Streitkräfte, führte zu erheblichen Verlusten für den IS. Bis 2019 hatte die Organisation fast ihr gesamtes Territorium verloren, und viele ihrer Führer, einschließlich al-Baghdadi, wurden getötet.
Anhaltende Bedrohung und globales Netzwerk
Trotz dieser Rückschläge bleibt der IS eine signifikante Bedrohung. Die Gruppe hat sich zu einer dezentralisierten Organisation entwickelt, die in verschiedenen Regionen der Welt aktiv ist. Insbesondere in Afghanistan, Afrika und Südostasien haben lokale IS-Ableger an Stärke gewonnen. In Afghanistan hat der IS-Khorasan (IS-K), ein Ableger der Gruppe, mehrere hochkarätige Angriffe durchgeführt, darunter den Angriff auf den Flughafen von Kabul im August 2021, der zahlreiche Menschenleben forderte.
In Europa bleibt der IS weiterhin eine Bedrohung, obwohl seine Fähigkeit zu großangelegten Anschlägen stark reduziert wurde. Die Terroranschläge in Paris 2015 und Brüssel 2016 zeigten die Fähigkeit des IS, koordinierte Angriffe durchzuführen. Auch wenn der IS inzwischen hauptsächlich zu kleineren, weniger komplexen Angriffen übergegangen ist, bleibt die Gefahr durch Einzeltäter oder kleine Zellen bestehen.
Hauptfinanzierungsquellen des Islamischen Staates
Die Finanzierung des IS basiert auf einem vielseitigen Modell, das sich aus einer Mischung illegaler und legaler Aktivitäten zusammensetzt. Die wichtigsten Finanzierungsquellen sind:
Ölhandel: In den Anfangsjahren seiner Herrschaft über große Gebiete in Syrien und dem Irak kontrollierte der IS zahlreiche Ölfelder. Der Verkauf von Rohöl auf dem Schwarzmarkt brachte schätzungsweise Millionen von Dollar pro Monat ein. Der IS verkaufte das Öl oft an lokale Händler, die es dann an Drittländer wie die Türkei oder Syrien weiterverkauften. Trotz internationaler Bemühungen, diese Einnahmequelle zu kappen, blieb der Ölhandel lange Zeit ein bedeutender Teil der IS-Finanzierung.
Erpressung und Schutzgelder: Der IS setzte auch auf ein umfassendes System der Erpressung und Schutzgelderpressung. Geschäftsleute, Bauern und selbst humanitäre Organisationen in den von ihm kontrollierten Gebieten wurden gezwungen, „Steuern“ zu zahlen. Diese Gelder wurden als Teil eines pseudo-staatlichen Steuersystems deklariert, das der IS eingerichtet hatte, um seine Herrschaft zu legitimieren und seine Einkünfte zu maximieren.
Plünderung und Raub: Bei seiner Expansion überfiel der IS Banken, Goldschmiede und andere finanzielle Institutionen. In Mosul, Irak, raubten IS-Kämpfer beispielsweise die Zentralbank der Stadt aus und erbeuteten Hunderte Millionen Dollar. Diese Raubzüge versorgten den IS mit erheblichem Startkapital und halfen, seine militärischen Operationen zu finanzieren.
Antike Kunst und Kulturgüter: Die Plünderung und der Verkauf von Antiquitäten und Kulturgütern aus historischen Stätten in Syrien und dem Irak stellten eine weitere lukrative Einnahmequelle dar. Der IS nutzte die Nachfrage auf dem internationalen Schwarzmarkt für antike Artefakte, um erhebliche Summen zu generieren, die dann in seine Kriegsmaschinerie flossen.
Geiselnahmen und Lösegeld: Der IS nahm auch Ausländer und Einheimische als Geiseln, um Lösegeld zu erpressen. Diese Praxis, insbesondere gegen westliche Geiseln, brachte den IS sowohl Geld als auch mediale Aufmerksamkeit ein. Berichten zufolge zahlten einige Regierungen und Unternehmen Millionen von Dollar, um ihre Bürger oder Mitarbeiter freizukaufen.
Spenden und Unterstützer: Ein Teil der Finanzierung des IS kam von privaten Spendern und Unterstützern, insbesondere aus dem Ausland. Besonders in den frühen Stadien des Aufstiegs des IS gab es Berichte über finanzielle Unterstützung von wohlhabenden Personen und Netzwerken in den Golfstaaten. Diese Gelder flossen häufig über verschleierte Kanäle wie humanitäre Organisationen oder via informelle Geldtransfersysteme (Hawala).
Die Rolle von Staaten und Organisationen
Die Frage, ob und wie Staaten den IS finanziert haben, ist komplex und oft kontrovers. Während direkte staatliche Unterstützung schwer nachzuweisen ist, gibt es Hinweise auf indirekte Unterstützungen und Toleranz bestimmter Aktivitäten:
Türkei: In den frühen Jahren des Bürgerkriegs in Syrien wurde die Türkei häufig als Transitland für IS-Kämpfer und als Durchgangspunkt für Öl- und Antiquitätenschmuggel genannt. Kritiker werfen der Türkei vor, nicht ausreichend gegen den Schwarzhandel vorgegangen zu sein, der den IS finanziell unterstützt hat. Die türkische Regierung hat jedoch wiederholt betont, dass sie den IS als Terrororganisation bekämpft.
Golfstaaten: Private Spender aus Ländern wie Saudi-Arabien, Katar und Kuwait standen unter Verdacht, den IS finanziell unterstützt zu haben. Diese Staaten haben enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zu den USA und anderen westlichen Ländern und haben öffentlich die IS-Ideologie verurteilt. Die Herausforderung besteht darin, private Unterstützer zu identifizieren und die Geldströme effektiv zu überwachen und zu unterbrechen.
Syrien und Irak: In den von IS kontrollierten Gebieten Syriens und des Iraks hat die Gruppe ihre Finanzierungsmodelle durch die Ausbeutung lokaler Ressourcen und die Erpressung der lokalen Bevölkerung aufrechterhalten. In einigen Fällen kooperierten lokale Akteure aus Not oder Opportunismus mit dem IS, um das Überleben oder wirtschaftliche Vorteile zu sichern.
Internationale Maßnahmen zur Eindämmung der IS-Finanzierung
Die internationale Gemeinschaft hat mehrere Schritte unternommen, um die Finanzierung des IS zu unterbinden. Diese Maßnahmen umfassen:
Militärische Operationen: Angriffe auf IS-Kontrollpunkte, Ölfelder und Transportwege haben die Fähigkeit des IS, Einnahmen aus dem Ölhandel zu generieren, erheblich eingeschränkt.
Finanzielle Sanktionen: Internationale Sanktionen und Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung wurden verschärft, um den Fluss von Geldern zum IS zu blockieren. Die Kooperation zwischen Ländern bei der Verfolgung verdächtiger finanzieller Aktivitäten wurde intensiviert.
Überwachung und Kontrolle des Kunstmarkts: Durch strengere Regulierungen und verstärkte Kontrollen des internationalen Handels mit Antiquitäten wurden die Möglichkeiten des IS, durch den Verkauf von geplünderten Artefakten Geld zu verdienen, eingeschränkt.