Das braune ECHO der Leitkultur
EMET-NEWS-PRESS - 20.04.2018 - RICHARD KRAUSS
"Die Juden und die Radfahrer sind an allem Schuld" - wieso die Radfahrer ? - wieso die Juden ? In seinem vor einigen Jahren erschienen Buch beleuchtet der ehemalige israelische Botschafter Avi Primor die Ursachen und Hintergründe des absurden, menschenverachtenden und rassistischen Antisemitismus.
"Antisemitismus ist ein zentrales Ideologieelement des Rechtsextremismus und in allen seinen Äußerungsformen virulent, seien sie publizistisch, parlamentarisch oder auch aktionistisch orientiert. Antisemitismus zielt auf die Diffamierung und Diskriminierung einer behaupteten Gesamtheit „der Juden“ ab," so die Definition des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Also nichts was dich und mich betrifft ? "Antisemitismus ist etwas aus der Vergangenheit und betrifft nur noch unsere Eltern. Und Antisemitismus gibt es doch überall auf der Welt und schließlich ist der zweite Weltkrieg mit den "Nazionalsozialisten " schon lange vorbei. Es muß endlich damit Schluß sein - man wird doch noch sagen dürfen", - so in ganz alltäglichen Gesprächen widerspruchslos und damit akzeptiert zu hören. Man ist ja unter sich.
In der Tat es muß Schluß damit sein !
Es muß Schluß damit sein, das Juden immer wieder - auch in Deutschland diffamiert, beleidigt, angegriffen und bedroht werden. Im Jahr 2017 wurden in dieser Republik 1453 antisemitische Vorfälle registriert. Tendenz steigend. Die Dunkelziffer liegt jedoch höher, da die Tatbewertung und Zuordnung nicht vollständig ist.
Teile dieser Republik versammeln sich vor den Bildschirmen und hören den sexistischen und antisemitischen Texten mit Wohlgefallen zu und honorieren dieses rassistische Machwerk mit tosendem Applaus und einem Echo 2018. Und gerade mal eine Person in diesem Saal hat vor laufender Kamera zur besten Sendezeit die Chuzpe dagegen zu protestieren. Nichts hat gestört, es wurde als normal empfunden. Man war ja unter sich.
So normal und ohne Widerspruch wie gestern, als Jacob Augstein das Tragen einer Kippa als "Provokation" empfand, da der Träger ja gar kein Jude gewesen sei.
Beileibe ist Antisemitismus keine schäbige Randerscheinung von rechtsextremen Gewalttätern. Der faule Apfel Antisemitismus ist in allen Teilen unserer Gesellschaft verankert. Geduldet, schweigend billigend in Kauf genommen, unterstützend, relativierend und an Orten, wo man es nicht vermuten möchte.
Soweit schön und gut - belassen wir es dabei ? Nein ! Wir belassen es nicht dabei.
Ich erwarte mehr als Betroffenheitsadressen ! Ja es ist gut, daß es einen Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung geben wird, ja es ist gut daß nach der Echoverleihung eine Diskussion eingesetzt hat und ja es mag vielleicht gut sein, wenn wir den jüdischen Gemeinden unsere Sympathie und unser Mitgefühl zum Ausdruck bringen.
Dies alles entbindet uns nicht von der Verpflichtung unser eigenes Denken und Handeln zu überprüfen. Wenn wir in Gottes Namen von der "Bewahrung und Rettung christlicher Wurzeln eines Abendlandes" sprechen, dann, ja dann erwarte ich das nicht nur als rhetorische Worthülse in Parteiprogrammen und Fensterreden. Vielmehr erinnere ich an das Jakobuswort "Werdet aber Täter des Wortes und nicht nur Hörer, sonst betrügt ihr euch selbst! "
Diese christlichen Wurzeln sollen nicht in der Erde verdorren, sondern wachsen und blühen . Ich möchte die Diskussion nicht an Kreuzen in Klassenzimmern oder Gerichten festmachen oder als "übertoleranter Deutscher" in eine Schublade gesteckt werden. Ich wünsche mir, daß diese "christlichen Wurzeln im Abendland" wahrnehmbar sind und nicht den Boden für Populismus, Polarisierung oder als Wegbereiter für Wahlerfolge dienen, denn dies wäre Trittbrettfahrerei.
Wer sich dem Christentum durch seine Taufe an den Gekreuzigten verpflichtet sieht, der möge überprüfen, wie er mit seinem Nächsten durch Handeln, Duldung und Unterlassung umgeht. "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ist keine Aufforderung seinen Nächsten nach Gutdünken, Sympathie, politischer Gesinnung, Staatsangehörigkeit oder Religionszugehörigkeit auszuwählen.
Und wer mit Religionen derweilen nichts anzufangen kann, dem möge Tucholsky weiterhelfen : " Der Kleinbürger hat drei echte Leidenschaften: Bier, Klatsch und Antisemitismus."