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Parteien im
Bundestag beraten über
besseren Schutz des
Bundes-
verfassungsgerichtes
vor Extremismus

Richard Krauss

23. Juli 2024

Der kleinste gemeinsame Nenner mit Risiko - Minimalschutz für das Bundesverfassungsgericht

aktualisiert 23.07.2024 - 14:04


BERLIN / KARLSRUHE : Am heutigen Dienstag wird in Berlin ein umfassendes Konzept zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor extremistischer Einflussnahme vorgestellt. Die Regierungsfraktionen der Ampel-Koalition (SPD, Grüne, FDP) arbeiteten hierbei mit Vertretern der Union (CDU, CSU) zusammen. Justizminister Buschmann sowie Fachpolitiker der beteiligten Parteien präsentierten die Pläne, die verschiedene Maßnahmen beinhalten, um die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit des Gerichts langfristig zu sichern.


Ein zentraler Bestandteil des Konzepts ist die Festschreibung von Regelungen zur Wahl der Verfassungsrichter im Grundgesetz. Vorgesehen ist, dass diese durch eine qualifizierte Mehrheit im Bundestag und Bundesrat gewählt werden. Dies soll sicherstellen, dass nur Kandidaten mit breiter Unterstützung aus verschiedenen politischen Lagern gewählt werden und extremistischer Einfluss vermieden wird.


Die Linke äußerte sich kritisch zu den Plänen und warnte davor, dass eine Verfassungsänderung allein nicht ausreiche, um extremistische Einflüsse zu verhindern. Sie betonte die Notwendigkeit umfassenderer demokratischer Reformen und Maßnahmen zur Stärkung der Zivilgesellschaft, um extremistische Tendenzen in der Gesellschaft nachhaltig zu bekämpfen (ZDF).


Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) äußerte Bedenken hinsichtlich der vorgeschlagenen Änderungen. Vertreter des BSW argumentierten, dass die Maßnahmen zur Festschreibung von Regelungen im Grundgesetz möglicherweise genutzt werden könnten, um unliebsame politische Meinungen zu unterdrücken. Sie forderten stattdessen eine breitere gesellschaftliche Debatte und die Einbeziehung verschiedener politischer Strömungen in den Entscheidungsprozess (ZDF).


Die AfD lehnte die vorgeschlagenen Maßnahmen entschieden ab und bezeichnete sie als Versuch, die Partei und ihre Wähler zu marginalisieren. Sie argumentierte, dass die Maßnahmen darauf abzielen, den politischen Wettbewerb einzuschränken und kritische Stimmen aus dem politischen Diskurs auszuschließen. Die AfD betonte, dass sie sich weiterhin für die Rechte ihrer Wähler einsetzen werde und alle rechtlichen Mittel ausschöpfen werde, um gegen die Maßnahmen vorzugehen (ZDF).


Der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Dr. Udo Di Fabio betonte die Notwendigkeit einer breiten Mehrheit bei der Wahl der Richter, um deren Unabhängigkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung zu stärken.


Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Festschreibung der Amtszeit der Verfassungsrichter im Grundgesetz. Vorgeschlagen wird eine Amtszeit von 12 Jahren ohne Möglichkeit der Wiederwahl, um eine zu enge Verbindung zwischen Richtern und der aktuellen politischen Landschaft zu verhindern. Verfassungsrichter Prof. Dr. Paul Kirchhof a.D. unterstützte diese Maßnahme, da sie die Unabhängigkeit und Kontinuität der Rechtsprechung fördere.


Zusätzlich sollen die Qualifikationsanforderungen für Verfassungsrichter verschärft werden. Eine Mindestanforderung von 15 Jahren Berufserfahrung in der Rechtsprechung oder einer vergleichbaren juristischen Tätigkeit wird diskutiert. Dies soll sicherstellen, dass nur hochqualifizierte Juristen mit umfassender Erfahrung in das Amt berufen werden.


Auch die ehemalige Verfassungsrichterin Prof. Dr. Susanne Baer betonte die Notwendigkeit hoher Qualifikationsanforderungen, um die fachliche Kompetenz und Integrität des Gerichts zu gewährleisten. Des Weiteren sollen strengere Ethikregeln und höhere Transparenzanforderungen eingeführt werden. Richter sollen verpflichtet werden, ihre finanziellen Interessen und möglichen Interessenkonflikte offen zu legen, um Interessenkonflikte zu vermeiden und das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Gerichts zu stärken.


Und auch der ehemaliger Verfassungsrichter Prof. Dr. Andreas Voßkuhle unterstrich die Bedeutung von Transparenz und Ethikregeln, um das öffentliche Vertrauen in die Justiz zu stärken.

Auch die institutionelle Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts soll gestärkt werden. Dazu gehören eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung sowie die Minimierung des Einflusses der Exekutive auf die Verwaltung und Organisation des Gerichts.


Ebenso der ehemaliger Verfassungsrichter Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier erklärte, dass eine starke institutionelle Unabhängigkeit essenziell sei, um die Integrität des Gerichts zu wahren.

Für die Umsetzung dieser Maßnahmen ist die Unterstützung der Unionsfraktion notwendig, um die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag zu erreichen. Vertreter der Union haben signalisiert, dass sie bereit sind, an einem parteiübergreifenden Konsens zu arbeiten.


Auch Verfassungsrichterin Prof. Dr. Jutta Limbach a.D. hob die Bedeutung eines breiten politischen Konsenses hervor, um die Legitimität der vorgeschlagenen Reformen zu gewährleisten.


Um die Akzeptanz der vorgeschlagenen Maßnahmen in der Öffentlichkeit zu erhöhen, soll eine breite öffentliche Diskussion angestoßen werden. Experten aus dem Bereich der Justiz, wie der Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins, Karpenstein, unterstützen die Notwendigkeit dieser Reformen und tragen zur öffentlichen Debatte bei.


Der ehemaliger Verfassungsrichter Prof. Dr. Dieter Grimm betonte, dass die Einbeziehung der Öffentlichkeit und Experten wichtig sei, um die Reformen fundiert und transparent zu gestalten.


Vorschläge der Parteien sind nur ein MInimalschutz des Bundesverfassungsgerichts:


Die heute vorstellten Entwürfe zwischen der Ampelkoalition und der Union strebt danach, das Bundesverfassungsgericht besser gegen autoritäre Einflüsse zu schützen und seine Unabhängigkeit zu bewahren. Diese Maßnahme wurde inspiriert durch die Entwicklungen in Polen und Ungarn, wo die Unabhängigkeit der Verfassungsgerichte durch politische Eingriffe stark eingeschränkt wurde.


Kernpunkt der Einigung ist die Verankerung wesentlicher Strukturmerkmale des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz. Dies umfasst die Festlegung der Anzahl der Senate auf zwei und die Richterzahl pro Senat auf acht, eine Amtszeit von zwölf Jahren sowie eine Altersgrenze von 68 Jahren. Zudem wird eine Wiederwahl der Richter ausgeschlossen. Diese Maßnahmen sollen eine einseitige politische Beeinflussung durch gezielte Änderungen in der Besetzung oder Amtszeit der Richter verhindern und die Unabhängigkeit des Gerichts sichern.


Darüber hinaus wird die Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz festgeschrieben, was die Autorität und Verbindlichkeit der Urteile des Gerichts stärkt und seine Rolle als oberste Instanz in verfassungsrechtlichen Fragen festigt.


Ein weiterer bedeutender Punkt ist die Aufnahme der Geschäftsordnungsautonomie des Bundesverfassungsgerichts in das Grundgesetz. Diese Regelung ermöglicht es dem Gericht, seine Arbeitsweise eigenständig festzulegen und schützt es vor äußeren Eingriffen, die seine Funktion als Kontrollinstanz beeinträchtigen könnten.


Allerdings bleibt ein wichtiger Bereich unberührt: die Regelung zur Wahl der Richter mit einer Zweidrittel-Mehrheit. Diese Regelung ist weiterhin nur im einfachen Bundesverfassungsgerichtsgesetz verankert und könnte daher mit einfacher Mehrheit geändert werden, was die Gefahr birgt, dass zukünftige Mehrheitsverhältnisse die Unabhängigkeit des Gerichts untergraben könnten.


Es gibt zwar Vorschläge für Mechanismen, die eine Blockade der Richterwahl verhindern sollen, diese wurden jedoch nicht in das Grundgesetz aufgenommen und bleiben somit fakultativ.

Die Zurückhaltung, umfangreichere Änderungen im Grundgesetz vorzunehmen, wird unter anderem damit begründet, dass die Regelungsdichte des Grundgesetzes angemessen bleiben und die notwendige Flexibilität für zukünftige Anpassungen erhalten bleiben solle. Diese Position spiegelt die anfängliche Skepsis, insbesondere der Union, wider, die Gespräche zur Änderung des Grundgesetzes fortzusetzen.


Quellen: Deutschlandfunk, Tagesschau, ZDF, Bundestag



Welches Verfahren kommt aktuell bei der Besetzung der Richter*innenposten am Bundesverfassungsericht in Karlsruhe zur Anwendung?


Die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland werden durch ein spezielles Verfahren besetzt, das auf eine breite politische Akzeptanz abzielt.


Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten mit jeweils acht Richtern, insgesamt also sechzehn Richter. Die Richter werden jeweils zur Hälfte vom Bundestag und zur Hälfte vom Bundesrat gewählt. Der Bundestag wählt seine Hälfte durch ein spezielles Gremium, den Richterwahlausschuss, während der Bundesrat direkt abstimmt.


Im Bundestag wird ein Richterwahlausschuss gebildet, der aus zwölf Mitgliedern besteht. Diese Mitglieder werden entsprechend der Stärke der Fraktionen im Bundestag bestimmt. Um als Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt zu werden, ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Diese hohe Hürde soll sicherstellen, dass die Richter eine breite Unterstützung über die Parteigrenzen hinweg haben.


Vorschläge für Richterkandidaten können sowohl von den im Bundestag vertretenen Parteien als auch von den Ländern im Bundesrat eingebracht werden. Die Richter werden aktuell für eine Amtszeit von zwölf Jahren gewählt. Eine Wiederwahl ist nicht möglich, was die Unabhängigkeit der Richter stärkt.


Die Kandidaten müssen die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz besitzen, das heißt, sie müssen in der Regel eine juristische Ausbildung abgeschlossen und das zweite juristische Staatsexamen bestanden haben. Oftmals sind die Kandidaten bereits in anderen hohen juristischen Positionen tätig, wie zum Beispiel als Bundesrichter, Universitätsprofessoren oder hochrangige Verwaltungsjuristen.


Dieses Wahlverfahren soll die Unabhängigkeit und die fachliche Kompetenz der Richter am Bundesverfassungsgericht gewährleisten und gleichzeitig sicherstellen, dass sie eine breite politische Unterstützung genießen.

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