Richard Krauss
1. Juli 2025
Deutsch-Israelische Gesellschaft warnt vor realer Bedrohungslage

(aktualisiert 02.07.2025 - 08:00 Uhr)
Karlsruhe/Aarhus – Im Rahmen einer internationalen Ermittlungsoperation haben deutsche und dänische Sicherheitsbehörden am 26. Juni 2025 den dänischen Staatsbürger Ali S. in Aarhus festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, im Auftrag eines iranischen Geheimdienstes gezielt jüdische Einrichtungen und Personen in Berlin ausgespäht zu haben. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit nach § 99 StGB und prüft einen Zusammenhang mit möglichen Anschlagsplanungen.
Laut dem Haftbefehl des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2025 soll Ali S. Anfang des Jahres 2025 von einem iranischen Nachrichtendienst den Auftrag erhalten haben, in Berlin Informationen über jüdische Örtlichkeiten und bestimmte Personen zu sammeln. Im Juni 2025 spähte er nach Angaben der Bundesanwaltschaft mindestens drei Objekte aus, darunter den Sitz der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sowie ein von der Führung des Zentralrats der Juden in Deutschland genutztes Gebäude. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Ausspähaktionen der Vorbereitung weiterer geheimdienstlicher Operationen dienten, möglicherweise bis hin zu Anschlägen auf jüdische Ziele.
Die Festnahme erfolgte durch die dänische Nachrichtendienstbehörde PET (Politiets Efterretningstjeneste) im Rahmen einer engen Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden. PET-Direktorin Annette Kjærgaard bestätigte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender DR Nyheder die Festnahme und betonte die Bedeutung der internationalen Kooperation im Kampf gegen Spionage und Terrorismus. Auch regionale Medien wie Jyllands-Posten berichteten über die Festnahme in Aarhus und die Hintergründe des Falls. Medienberichten zufolge, wurden die deutschen Sicherheitsbehörden durch einen Hinweis des israelischen Nachrichtendienstes gewarnt.
Die Ermittlungen gegen Ali S. wurden durch Hinweise des Bundesamts für Verfassungsschutz ausgelöst, das nach eigenen Angaben durch einen ausländischen Nachrichtendienst auf den Verdächtigen aufmerksam gemacht wurde. Das Bundeskriminalamt ist mit der Durchführung der polizeilichen Ermittlungen beauftragt. Nach seiner Überstellung aus Dänemark wird Ali S. dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt.
Die Festnahme hat in Deutschland und Dänemark für große Aufmerksamkeit gesorgt. Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, sprach von einem „alarmierenden Zeichen für die terroristische Gefährdungslage“ und forderte verstärkte Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen. Die Bundesregierung hatte bereits im Vorfeld die Sicherheitslage für jüdische und israelische Einrichtungen neu bewertet und Schutzmaßnahmen ausgeweitet, wie aus dem aktuellen Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz hervorgeht.
Der Fall reiht sich ein in eine Serie von Vorfällen, bei denen iranische Geheimdienste in Europa gegen jüdische und israelische Ziele vorgehen. Der Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz warnen seit Jahren vor einer erhöhten Bedrohungslage, insbesondere durch die Quds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden.
Die dänische Presse, darunter DR Nyheder und Jyllands-Posten, bestätigt die Festnahme und verweist auf die enge Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden. Die PET hält sich zu Details des laufenden Verfahrens zurück, betont jedoch die Bedeutung der internationalen Kooperation für die nationale Sicherheit.
Die Bundesanwaltschaft prüft derzeit, ob weitere Personen in die mutmaßlichen Spionageaktivitäten involviert waren. Bei einer Verurteilung drohen Ali S. bis zu fünf Jahre Haft. Die Ermittlungen dauern an.
Quellen:
Offizielle Pressemitteilungen der Bundesanwaltschaft und des Bundesgerichtshofs, Berichte von DR Nyheder (Dänemark), Stellungnahmen der dänischen Nachrichtendienstbehörde PET, regionale Berichterstattung von Jyllands-Posten (Aarhus), Einschätzungen des Bundesamts für Verfassungsschutz (Jahresbericht 2024), Pressemitteilung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
Glossar zum Fall Ali S. und den Ermittlungen wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Agententätigkeit
Ali S.Dänischer Staatsbürger, der am 26. Juni 2025 in Aarhus (Dänemark) festgenommen wurde. Ihm wird vorgeworfen, im Auftrag eines iranischen Geheimdienstes Informationen über jüdische Einrichtungen und Personen in Berlin gesammelt zu haben.
BundesanwaltschaftDie oberste deutsche Strafverfolgungsbehörde, zuständig für besonders schwere Straftaten wie Terrorismus, Spionage und staatsgefährdende Delikte. Sie leitet das Ermittlungsverfahren gegen Ali S.
Bundesgerichtshof (BGH)Das höchste deutsche Gericht in Zivil- und Strafsachen. Der Ermittlungsrichter des BGH erließ den Haftbefehl gegen Ali S.
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)Der deutsche Inlandsnachrichtendienst. Das BfV sammelt und analysiert Informationen über extremistische und sicherheitsgefährdende Aktivitäten in Deutschland und gab den entscheidenden Hinweis auf Ali S.
Bundeskriminalamt (BKA)Die zentrale Ermittlungsbehörde der deutschen Polizei. Das BKA wurde mit den polizeilichen Ermittlungen im Fall Ali S. beauftragt.
Politiets Efterretningstjeneste (PET)Der dänische Inlandsnachrichtendienst. Die PET führte die Festnahme von Ali S. in Aarhus im Rahmen der deutsch-dänischen Zusammenarbeit durch.
Geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99 StGB)Strafrechtlicher Tatbestand in Deutschland, der das Handeln für einen ausländischen Geheimdienst gegen die Bundesrepublik Deutschland oder deren Interessen unter Strafe stellt.
Iranischer Geheimdienst
Bezeichnung für verschiedene Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran, insbesondere das Ministerium für Nachrichtendienste (MOIS) und die Quds-Brigaden der Revolutionsgarden, die im Ausland Spionage- und Einflussoperationen durchführen.
Ausspähung
Das gezielte Sammeln von Informationen über Personen, Objekte oder Einrichtungen, häufig im Auftrag eines Geheimdienstes. Im aktuellen Fall betrifft dies jüdische Ziele in Berlin.
Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG)
Eine deutsche Nichtregierungsorganisation, die sich für die deutsch-israelischen Beziehungen und den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland engagiert. Ihr Präsident, Volker Beck, äußerte sich besorgt über die Bedrohungslage.
Zentralrat der Juden in Deutschland
Dachorganisation der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Eines der mutmaßlich ausgespähten Ziele.
Rechtshilfe
Form der internationalen Zusammenarbeit, bei der Staaten einander bei der Strafverfolgung unterstützen, etwa durch Auslieferung oder Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen.
Ermittlungsrichter
Richter am Bundesgerichtshof, der in Ermittlungsverfahren über Maßnahmen wie Haftbefehle oder Durchsuchungen entscheidet.
Quds-Brigaden
Terroristische Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, die für Auslandseinsätze, darunter Spionage und Terroroperationen, zuständig ist.
Anschlagsvorbereitung
Handlungen, die der Planung und Durchführung eines Anschlags dienen, etwa das Ausspähen von Zielen oder das Sammeln von Informationen.
Verfassungsschutzbericht
Jährlicher Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz, der über extremistische und sicherheitsrelevante Entwicklungen in Deutschland informiert.
Festnahme
Die Ingewahrsamnahme einer Person durch die Polizei oder Sicherheitsbehörden aufgrund eines richterlichen Haftbefehls oder bei dringendem Tatverdacht.
Überstellung
Die Auslieferung einer festgenommenen Person von einem Staat an einen anderen im Rahmen der internationalen Rechtshilfe.
Ermittlungsverfahren
Strafrechtliches Verfahren zur Aufklärung eines Verdachts, das von den Strafverfolgungsbehörden geführt wird.
Terroristische Gefährdungslage
Einschätzung der Sicherheitsbehörden zur Bedrohung durch Terrorismus, insbesondere gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen oder Einrichtungen.